Gefährt und Gefährt:innen
Theorie
Es gibt viele Gründe, aus welchen das Teilen von Dingen sinnvoll ist. Im Folgenden werden wir auf
verschiedene Punkte eingehen, welche uns essenziell erscheinen und dann erklären für welche praktische
Umsetzung wir uns entschieden haben.
Zum einen gibt es die Ökonomische Effizienz. Diese zeigt sich im Beispiel des Kochens für eine
grosse Gruppe Menschen. Wenn mehr Menschen, zum Beispiel 20 Leute, bekocht werden, können die Portionen
viel genauer berechnet werden, denn die Chance, dass alle gleichzeitig den maximalen Hunger haben, ist
sehr viel kleiner, als wenn man für weniger Menschen zum Beispiel für 3 Personen kocht.
Der
Verbrauch kann also sehr viel passender gedeckt werden und die persönlichen Absicherungen für einen
Extremfall kann von der Gemeinschaft geteilt werden. Der dabei entstehende Überschuss kann wiederum der
Gesellschaft zugute kommen.
Diesen Gedanken verfolget auch die Denkwerkstatt communia in ihrem Buch
Öffentlicher Luxus . Es beschäftigt
sich damit, wie viel allgemein zugänglicher Luxus gewonnen werden könnte, wenn mehr Institutionen
vergesellschaftet werden würden. Ein Beispiel dafür ist die
Kampagne Deutsche Wohnen und co. Enteignen .
Das zweite Argument sind die zwischenmenschlichen Beziehungen. In der spät-kapitalistischen
Weltordnung werden die Individuen von der Gesellschaft antagonistisch erzogen. Im Wettlauf der
Kapitalakkumulation konkurrieren alle Menschen miteinander und sind somit auf sich allein gestellt.
Über ein Ding mit kollektivem Besitztum können Menschen Beziehung zueinander entfalten und erleben,
dass wir dieselben Interessen haben, welche sich auch verbinden lassen können. So kann gelernt werden
kooperative und solidarische Beziehungen zu leben.
Solche Commons kollektiv verwalten zu können und
solidarische Beziehungen zu haben ist überlebenswichtig für viele Menschen, vor allem Frauen in Afrika
und Südamerika. Dies zeigt Silvia Federici in ihrem Buch
Die Welt wieder verzaubern. Feminismus, Marxismus und die Commons . Zudem sind es auch diese Menschen, welche einen grossen Teil der Lebensmittel für den Weltmarkt und
somit auch für uns produzieren.
Als drittes kommt die ökologische Komponente hinzu. Dass der Konsum der Menschheit nicht mehr den
planetaren Möglichkeiten entspricht und der Klimawandel die logische Konsequenz dafür ist, muss man
heutzutage nicht mehr erklären. Doch es sind nicht alle Menschen, die gleichviel verbrauchen. Es sind vor
allem Grosskonzerne und Milliardär:innen, welche mit Abstand am meisten verbrauchen.
Die Enteignung
dieser extremer Machtmonopole ist also entscheidend um den Klimawandel aufzuhalten. Doch dafür muss es
erst ein alternatives Modell der Verwaltung geben, damit das machtmonopol nicht einfach die
Besitzer:innen wechselt, sondern tatsächlich anders verwaltet wird. Dafür müssen basisdemokratische und
genossenschaftliche Formen der Verwaltung erkämpft, erlernt und ausprobiert werden.
Diese Idee der selbstverwalteten Industrie verfolgt Kampagne
#insorgiamo der GKN-Fabrik in Florenz , diese
sollte 2021 wegen Profitoptimierung geschlossen werden. Die Belegschaft nahm dies jedoch nicht einfach so
hin und organsierte sich daraufhin, um die Fabrik selbst zu übernehmen. Es gab riesige Demonstrationen
und es gründete sich eine Genossenschaft, welche sich zum Ziel setzte, die Fabrik zur Vorreiterin eines
ökosozialen Wandels zu machen und selbstorganisiert Solarpanels zu produzieren. Um Geld zu generieren
sind sie schon heute daran Lastenräder zu produzieren und diese zu verkaufen. Uns interessiert aber nicht
nur die Produktion, sondern auch wie diese Lastenräder genutzt werden. Wie eine Ressource, ein Common, in
einer Gemeinschaft genutzt werden kann.
Dazu hat Elinor Östrom geforscht und die
8 wichtigsten Design Prinzipien
8 wichtigsten Design Prinzipien festgehalten. Diesen Punkten entsprechend haben wir die Kollektive
Nutzung auch gestaltet.
Umsetzung
Wir erläutern hier die ersten 4 Punkte, weil wir denken das diese bei einer eher kleineren Nutzung, wie
sie unser Projekt ist am wichtigsten sind.
1. Abgrenzbarkeit, zwischen legitimen und illegitimen Nutzer:innen, wie auch der nutzbaren
Ressource.
2. Kohärenz mit lokalen Bedingungen. Es wird nicht mehr genommen als was auch
wieder in einem lokalen System ersetzt werden kann. Kosten werden dabei proportional zum Nutzen verteilt.
3. Gemeinschaftliche Entscheidungen über Spielregeln der Ressourcennutzung werden von allen
beteiligten Partien getroffen.
4. Monitoring. Die Nutzung der Ressource kann zeitnah
beobachtet und überwacht werden.
Die Abgrenzbarkeit ist durch den Chat gegeben, wer im Chat ist, hat Zugang zum Zahlencode des
Lastenrads, wer nicht im Chat ist, nicht.
Die Kohärenz mit lokalen Bedingungen ist ein sehr
schwieriger Punkt. Wer kommt bei einer Reparatur auf und wie werden die Kosten verteilt? Wir lösen dies
mit einem gemeinsamen Konto auf, das je nach Möglichkeiten und jederzeit einbezahlt werden kann, dies
versuchen wir möglichst transparent zu führen und jeweils Menschen die Reparaturen tätigen mussten
auszuzahlen.
Weiter gibt es auch die Möglichkeit der gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung. Das
wäre möglich durch Abstimmungen oder Anfragen im Chat, dies wird auch aktiv gewünscht in den
Nutzungsabmachungen.
Das Monitoring ist auch dadurch gegeben, dass Menschen in den Chat schreiben,
wann und wie lange sie das Lastenrad brauchen.
Herkömmliche Nutzungsplattformen, wie Mobility
oder carvelo sind dabei keine relevanten Vergleichspartner:innen denn das Eigentum bleibt bei den
Besitzer:innen und gibt keine Mitbestimmung.
Dies ist ein Lernfeld und ein erster Versuch
sich diesem Thema anzunehmen. Wie sich die Nutzung im Laufe der Zeit entwickelt, wird sich zeigen. Dann
müssen die Nutzungsbedingungen verändert und angepasst
werden. Helft uns also mit auszuprobieren, zu scheitern und weiter zu versuchen.
Denn was wir zu
gewinnen haben ist sehr viel mehr als was wir zu verlieren haben.